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30.05.2018

Rhein-Neckar-Zeitung


Queen Mary 2 im Elsenzer See vom Stapel gelaufen

EPPINGEN
Großer Bahnhof am Samstagmorgen am Elsenzer See: der Stapellauf der Queen Mary 2 zog viele neugierige Besucher an, die erwartungsvoll auf die Kiste starrten, die Willi Jantschek auf dem Laderaum eines Transporters lud.
Im Maßstab 1:150 hat er den Luxusliner in der heimischen Bastelwerkstatt nachgebaut.

Alles begann mit einer Schnapsidee. Jantschek, Binnenschiffbauer von Beruf, arbeitete für den französischen Alstom Konzert in Mannheim. "Die Queen Mary 2 wurde ab 2002 von unserem Konzern gebaut", erzählte der 74-jährige, "und deshalb habe ich meinen damaligen Chef gefragt, ob ich nicht die Baupläne bekommen könnte."
Konkrete Pläne, den Atlantikliner nachzubauen hatte Jantschek damals noch nicht, er hatte einfach Interesse an den Bauplänen. Nach viermonatigen, zähen Verhandlungen mit den Franzosen konnte Jantscheks Chef die Pläne seinem Mitarbeiter übergeben. "Als ich mich bedankt habe, hat mir mein Chef gesagt, er habe sich nicht vier Monate bemüht, damit ich die Pläne bekomme, nur damit ich sie habe, nun solle ich doch das Schiff auch nachbauen."
Gar kein leichtes Unterfangen, denn die Franzosen hatten Jantschek lediglich einige Seitenansichts- und Querschnittpläne überlassen. "Aber ich stand ja nun bei meinem Chef im Wort und habe angefangen, eigene Pläne zu zeichnen." Glücklicherweise bekam er die Möglichkeit, die Queen bei einer Überholung im Trockendock zu besichtigen und konnte sich dort auch einige Details an- und abschauen, denn manche Details wie beispielsweise die Rettungsboote konstruierte Jantschek komplett selbst.

Über zwölf Jahre baute der Vater zweier erwachsener Töchter an seinem Modell, an dem jedes Teil Handarbeit ist. Von der Stange gab es keine Bauteile, viele Teile ließ Jantschek extra herstellen. "Ich habe einen Modellbauer auf der Insel Rügen, der mir viele Teile nach meinen Plänen gefräst hat, da er die entsprechenden Maschinen hat." Die Teile von Hand selbst herzustellen, sei nicht immer eine Option. "Das wird zu ungenau, es kommt auf Präzision und jeden Millimeter an."

Hunderte kleiner Fenster für die Decks hat Jantschek eingebaut, Pools, Hubschauberlandeplatz, Solarzellen, es fehlt kein Detail. Sperrholz und glasfaserverstärkten Kunststoff verwendete Jantschek, der vor dem finalen Stapellauf, der Nagelprobe, ob das Modell auch schwimmfähig ist, hochkonzentriert und sehr nervös war.

Akribisch setzte er unter den neugierigen und teilweise ungeduldigen Blicken seiner Zuschauer die Sender für die Fernsteuerung ein, verschraubte das abnehmbare Oberdeck wieder mit dem Rumpf und karrte der kiloschwere Modell vorsichtig an das Ufer des Elsenzer Sees. "Den See habe ich mir ausgesucht, weil er von meinem Wohnort Hoffenheim aus am naheliegendsten war, nachdem Sinsheimer Seen aus verschiedenen Gründen nicht in Frage gekommen sind", erzählte Jantschek, der eigens einen befreundeten Taucher mobilisiert hatte, um Fotos zu schießen und im Fall eines Untergangs das Modell zu bergen.

Doch Jantschek hat ganze Arbeit geleistet, zwar bekam das Modell im Wind deutlich Schlagseite, doch es richtete sich immer wieder auf und schwamm. Stapellauf geglückt, Schiffsbauer glücklich und der Verkauf in greifbare Nähe gerückt. Denn behalten will Jantschek weder die Queen noch die Oriana, das andere Passagierschiff, das in der heimischen Wohnung steht. "Meine Töchter haben kein Interesse an den Modellen und wir haben zuhause auch nicht so viel Platz, so dass ich sie verkaufen werde", kündigte er an, verstaute das kostbare Stück wieder in der eigens angefertigten Transportbox und stieß mit Freunden und Familie auf den geglückten Stapellauf an.